5. Besonderheiten einzelner Jahrgangsstufen
5.1. Die veränderte Lernkultur in der Sekundarstufe I
5.1.1 Der Gemeinsame Anfang
Jeder Schultag beginnt in allen Klassen in der ersten halben Stunde gemeinsam mit einer Lehrkraft aus dem Klassenleitungsteam. Diese Zeit soll genutzt werden, um im Stuhlkreis inhaltlich-organisatorische Informationen auszutauschen, gemeinsam über positive und negative Ereignisse zu sprechen und um die Arbeit im Lernbüro vorzubereiten. Dieser Einstieg bietet gute Möglichkeiten um die Beziehungsarbeit zu stärken.
5.1.2. Die Lernbüros
Aus unseren Erfahrungen vergangener Schuljahre leitete sich zunehmend ab, dass herkömmliche Unterrichtskonzepte nicht mehr so erfolgreich umgesetzt werden können und auch ein Großteil der Schülerschaft damit nicht mehr erreicht wird. Eine zunehmende Heterogenität innerhalb unserer Schülerschaft, die gestiegenen Herausforderungen im Umgang mit pädagogischen Grenzsituationen und regelwidrigem Verhalten, wie auch die Herausforderungen, die der Wandel der gesellschaftlichen, ökonomischen und technologischen Bedingungen mit sich bringt, fordert uns als Schule auf, zu reagieren. Wir sind offen für anstehende Entwicklungsaufgaben und Anpassungen im Bereich des pädagogischen Handelns zugleich der Schul- und Unterrichtsentwicklung. Unsere Schule stellt sich diesen Herausforderungen und geht neue Wege. Beginnend mit dem 5. Jahrgang des Schuljahrs 2019/20 arbeiten die Schülerinnen und Schüler in den Kernfächern Englisch, Deutsch und Mathematik schwerpunktmäßig in sogenannten Lernbüros. Ab dem Schuljahr 2024/25 ist diese veränderte Lernkultur hochgewachsen, sodass alle Jahrgänge der Sekundarstufe I in Lernbüros arbeiten.
Das Konzept der Lernbüros wurde in einer Zukunftswerkstatt mit der gesamten Schulgemeinde (Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrerinnen und Lehrer) initialisiert und dann mithilfe von Fortbildungen zum Thema Schul- und Unterrichtsentwicklung, Teilnahme am Projekt „Verbesserung der Elternkooperation“, zahlreiche Hospitationen an anderen Modellschulen konkretisiert.
Des Weiteren wurden neueste Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung sowie deren Handlungsempfehlungen herangezogen und deren Ergebnisse ausgewertet. Ein Ergebnis und zugleich neue Zielrichtung an der AFS sind konkrete Veränderungen in der Lern- und Unterrichtskultur, die als Voraussetzung für erfolgreiche Bildungs- und Erziehungsprozesse an unserer Schule gesehen werden. Ein wesentliches Ziel ist die Förderung selbstständigen, selbstgesteuerten Lernens in den Lernbüros.
Bei den Lernbüros handelt es sich um Klassen-/Differenzierungsräume, die fachspezifisch eingerichtet sind und von mindestens einer Fachlehrkraft betreut werden. Zusätzlich werden zwei Lernbüros „Plus“ eingerichtet, die vom Team der Sonderpädagoginnen besetzt werden und besondere Unterstützungsmöglichkeiten für die Lernenden mit und ohne Förderschwerpunkt bieten. Einmal pro Schultag haben die Lernenden eine Lernbürozeit. Die Lernbürozeit stellt die Schülerinnen und Schüler vor die Wahl, in welchem Kernfach sie an einem Tag arbeiten wollen. Je nach Entscheidung suchen sie das fachspezifische Lernbüro auf. Sie wechseln während der Lernbürozeit nicht zwischen den Räumen und müssen in einem vorgegebenen Zeitrahmen in allen Fächern arbeiten. Die Lernbüros werden klassen- und jahrgangsgemischt (aktuell Jg. 5/6, Jg. 7/8) besucht. Damit dies gelingen kann, gibt es einheitliche, fach- und jahrgangsübergreifende Rituale und Regeln für die Arbeit in den Lernbüros. Um eine angenehme Arbeitsatmosphäre zu sichern, ist die Gruppengröße mit maximal 20 Schülerinnen und Schülern in den Lernbüros limitiert.
Die Unterrichtsmaterialien, sogenannte Lernpfade, sind speziell für die Arbeit in Lernbüros thematisch aufbereitet und mehrfach differenziert. Ein Lernpfad kann mit einem Unterrichtsvorhaben gleichgesetzt werden. Die Lernpfade beziehen sich dabei auf die curricular festgesetzten Lerninhalte.
Im Bereich der Lernzielkontrollen unterscheidet sich das neue Konzept auch von dem bisherigen System. Schriftliche Leistungsüberprüfungen an einem vorgegebenen Tag und im Klassenverband werden nicht mehr geschrieben. Die Schülerinnen und Schüler entscheiden unter Beratung der Fach- und Klassenlehrerinnen und -lehrer selbst über den Zeitpunkt ihrer Leistungsüberprüfungen. Zudem muss ein zeitlicher Rahmen eingehalten werden, innerhalb dessen die Lernenden ihre Leistungsüberprüfung in den Fächern abgelegt haben müssen.
In Jahrgang 5 werden die Schülerinnen und Schüler in einer mehrwöchigen Einführungsphase mit der veränderten Lernkultur vertraut gemacht. Es wird ein einheitliches Regelwerk für das Verhalten im Lernbüro erarbeitet und mit den Schülerinnen und Schülern trainiert. Somit werden klare Strukturen und Verbindlichkeiten im Lernbüro geschaffen, die fach- und jahrgangsübergreifend gelten. In dieser Phase erhalten die Lernenden auch eine Einführung in den Umgang mit digitalen Medien, die sie unter anderem zur Selbstkontrolle oder auch für die Verwendung von Lern-Apps nutzen. Des Weiteren erwerben sie sowohl soziale als auch methodische Kompetenzen, die sie zu einer erfolgreichen Arbeit in den Lernbüros befähigen sollen. Nach dieser Einführungsphase suchen die Schülerinnen und Schüler die jahrgangsübergreifenden Lernbüros auf.
5.1.3. Die Lernbüro-/Beratungszeit
Zweimal wöchentlich findet für jede Klasse die Lernbüro-/Beratungszeit in Doppelbesetzung mit beiden Klassenlehrerinnen und -lehrern statt. Während dieser Beratungszeit lernen die Lernenden im Klassenverband. Inhaltlich werden die Bausteine der Lernbüroarbeit fortgeführt. Um passend ausgestattet zu sein, müssen sie das Material für das Fach, an dem sie arbeiten möchten, aus vorangegangen Lernbürostunden mitbringen. Die Organisation der Beratungszeit ist den Klassenlehrer*innen überlassen. Die Klassenlehrerinnen und -lehrer beraten ihre Schülerinnen und Schüler in regelmäßigen Einzelgesprächen anhand des Lernbegleiters. Dabei kommt es vor allem darauf an, dass die individuellen Lernprozesse der Schülerinnen und Schüler reflektiert und Zielvereinbarungen getroffen werden. Die Beratungszeit ist eine wichtige Grundlage um Beziehungsarbeit zu leisten und den individuellen Lernprozess zu unterstützen.
Mit der Beratungszeit sind folgende Zielsetzungen verbunden:
- Verbesserung des Lernverhaltens durch kontinuierliche und gezielte Rückmeldung,
- Hinführung zu selbstständigem Lernen und Arbeiten,
- Einüben von Techniken der Selbstorganisation,
- Schulung der Selbstwahrnehmung bezogen auf die eigenen Stärken und Schwächen.
5.2. Projektorientiertes Lernen
Eine weitere Veränderung in der Lernkultur an der AFS betrifft das Lernen in Projekten. Die Projektarbeit ist keineswegs neu. Vor ungefähr 100 Jahren entwickelte John Dewey diese Unterrichtsmethode in Amerika. Seit Ende der 70er Jahre erlebt das Arbeiten mit Projekten im Schul- und Hochschulbereich einen erneuten Aufschwung.
Wir wissen, dass die Lernenden auf ein lebenslanges Lernen in der Informationsgesellschaft vorbereitet werden müssen. Der schnelle Wandel in der Gesellschaft, der Ökonomie, der Technologie einschließlich der Arbeits- und Berufswelt, deren zukünftige konkrete Formen niemand vorhersagen kann, fordert Schulen auf sich kontinuierlich anzupassen. Vor dem Hintergrund ergibt sich die Notwendigkeit Lernarrangements und Unterrichtsformen umzugestalten. Eine geeignete Unterrichtsmethode ist das Projektlernen, die zudem den Schülerinnen und Schülern ein hohes Maß an Mitgestaltungsmöglichkeiten und Chancen zu selbstständigem und eigenverantwortlichem Lernen ermöglicht.
An der Anne-Frank-Gesamtschule bieten wir ab dem Schuljahr 2019/20 eine stufenweise Einführung und Hinführung zum Projektlernen an, damit unsere Schülerinnen und Schüler diese Methode entwicklungsangemessen und sukzessive erlernen können. In den Fächern Gesellschaftslehre (GL) und Naturwissenschaften (NW Jg. 5 und 6) arbeiten Schülerinnen und Schüler projektorientiert im Klassenverband. Vordergründig geht es in den Naturwissenschaften um praktisches Arbeiten und experimentieren. Diese Unterrichtsform stellt einen wichtigen Gegenpol zur Lernbüroarbeit dar, weil hier vor allem auch kooperative Lernformen zum Einsatz kommen.
Projektarbeit bietet im Idealfall große Handlungsspielräume und als handlungsorientiertes Lernen ist sie dadurch gekennzeichnet, dass Schülerinnen und Schüler aus einer problemhaltigen Sachlage heraus ein Thema entwickeln, dementsprechende Informationen sammeln und auswerten, Ziele für die eigene Arbeit formulieren, einen Plan für das weitere inhaltliche und prozessbezogene Vorgehen entwerfen, umsetzen und bei auftretenden Schwierigkeiten gegebenenfalls korrigieren sowie die Arbeitsergebnisse präsentieren. In all diesen Phasen arbeiten die Schülerinnen und Schüler in hohem Maße selbstgesteuert. Entsprechende Handlungsspielräume sind für Lernende für sich allein noch keine hinreichende Bedingung für das Gelingen projektartigen und selbstgesteuerten Lernens. Die Lernenden müssen vielmehr über eine Reihe von Kompetenzen bzw. Lernstrategien verfügen, die es ihnen ermöglichen, die bestehenden Spielräume für das eigene Lernen zu nutzen. Vor diesem Hintergrund führen wir unsere Schülerinnen und Schüler mit Geduld und entsprechender Unterstützung an die Projektarbeit heran.
So kommen wir der Heterogenität unserer Schülerschaft wie auch unterschiedlichen Erfahrungshorizonten im Projektlernen, mit denen die Schülerinnen und Schüler zu uns kommen, entgegen. Alle Schülerinnen und Schüler, die sich nicht für die Musik- oder MINT-Projektklasse entschieden haben, starten im Jg. 5 und 6 im Rahmen der Fächer NW und GL mit Projektorientiertem Lernen. Dieses Angebot findet immer im Rahmen des Fachunterrichts der beiden Fächer statt. Pro Halbjahr werden an zwei Rahmenthemen des Kernlehrplans projektorientierte Phasen im Umfang von ca. 6-8 Stunden angebunden. Sukzessive soll projektorientiertes Lernen in den höheren Jahrgängen nach Evaluation der Ergebnisse aus den Jahrgängen 5 und 6 weiter ausgebaut und zunehmend anspruchsvoller gestaltet werden, so dass wir in den Jahrgängen 9 und 10 das Ziel Projektlernen erreichen.
Ganzheitliche Lernerfahrungen und fachübergreifendes Arbeiten prägen das Projektorientierte Lernen. Da sich bei der Bearbeitung einer gewählten Aufgabe oder eines Problems in dem von der Lehrkraft vorgeschlagenen Themenfeld des Faches die Lernenden zusammenfinden, sind die Schülerinnen und Schüler in größtmöglicher Eigenverantwortung immer auch handelnd-lernend tätig.
Wir orientieren unser projektorientiertes Lernen an folgenden Merkmalen:
- Die bearbeiteten Themen liegen im Interessenbereich der Schülerinnen und Schüler.
- Das Prinzip der Schülerorientierung wird konsequenter als im Alltagsunterricht verfolgt, so dass die Schülerinnen und Schüler zunehmend selbstständig, eigenverantwortlich und produktiv arbeiten.
- Es wird kooperativ in Gruppen gearbeitet.
- Die Realisierung des Kleinprojektes erstreckt sich über einen angemessenen Zeitraum und ist immer produktorientiert.
- Die Lehrerin bzw. der Lehrer berät und leitet die Projekte – er bzw. sie koordiniert die Projektarbeit innerhalb der Lerngruppe.
Was verlangt projektorientiertes Lernen von Schülerinnen und Schülern:
- Bereitschaft, den Unterricht mit zu planen und mitzugestalten,
- Bereitschaft mit Teamgeist und in Gruppen zu arbeiten,
- Bereitschaft für andere Unterrichtsformen offen zu sein,
- Bereitschaft fachübergreifendes, projektorientiertes Arbeiten aktiv zu unterstützen,
- Bereitschaft prozess- und produktorientiert zu arbeiten,
- Bereitschaft mündliche, schriftliche und grafische Gestaltungstechniken (Layout) für die Präsentationen zu erlernen.
Der Verlauf des Projektorientierten Lernens ist in vier Schritte unterteilt:
(1) Einführung: Rahmenthema, Projektauftrag und Auswahl einer problemhaltigen, lebensnahen Fragestellung;
(2) Planung: Zielvereinbarungen, Teamfindung, -bildung, (Selbst-) Organisation, d.h. letztlich zielgerichtete Planung zur Problemlösung in der Gruppe
(3) Umsetzung und Durchführung: Zeitplan mit Meilensteinen, Prozessdokumentation, handlungsorientierte Auseinandersetzung mit dem Thema in der Gruppe; die Lehrerin oder der Lehrer ist permanenter Ansprechpartner und berät die Schülerinnen und Schüler.
(4) Dokumentation verbunden mit Präsentation, Reflexion von Prozess und Ergebnis.
5.2.1. Projektklasse mit dem besonderen Schwerpunkt MINT
Die in Jahrgang 5 einsetzenden MINT-Schwerpunktklassen bilden einen wichtigen Baustein der MINT-Förderung an der Anne-Frank-Gesamtschule. Ziel dieser MINT-Klassen ist es, die naturwissenschaftlichen, mathematischen und technischen Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler zu stärken und ihre Interessen durch Projekte, Experimente und Wettbewerbe zu fördern. Es werden grundlegende Denk- und Arbeitsweisen der MINT-Fächer vermittelt, wobei die Freude am Experimentieren und Entdecken im Vordergrund steht. Naturwissenschaftliche und technische Fragestellungen werden in kleinen Projektgruppen gemeinsam entwickelt und bearbeitet. Bei der Auswertung und Präsentation der Ergebnisse kommen moderne Medien zum Einsatz, so dass auch Kenntnisse in diesen Bereichen gesammelt werden können.
Die MINT-Klassen an der AFS zeichnen sich durch ein besonderes Konzept aus:
- Die Schülerinnen und Schüler der MINT-Klasse haben in jeder Woche einen dreistündigen Projekttag, an dem die MINT-Fächer fächerübergreifend unterrichtet werden.
- Je zwei Lehrkräfte aus dem MINT-Bereich oder auch eine Lehrkraft und außerschulische MINT-Expertinnen oder -Experten unterrichten an dem jeweiligen Projekttag.
- Es finden Kooperationen mit außerschulischen Lernpartnern (Klimapark, MINT-Technikum, biologische Station, Heinz-Nixdorf-Forum, …) statt.
5.2.2. Projektklasse mit dem besonderen Schwerpunkt Musik – Bläserklasse
Die Bläserklasse ist ein seit vielen Jahren sehr erfolgreiches Modell unserer Schule. Das Klassenorchester-Projekt hat eine Laufzeit von 3 Jahren (Klasse 5 – 7). Die benötigten Instrumente werden für den täglich stattfindenden Musikunterricht vom Schulverein leihweise zur Verfügung gestellt; die Instrumentallehrerinnen und -lehrer kommen für den fachspezifischen Instrumentalunterricht einmal wöchentlich in die Schule. Der Elternbeitrag beträgt 30 Euro im Monat. Es können die folgenden Instrumente erlernt werden: Querflöte, Klarinette, Altsaxophon, Trompete, Posaune, Euphonium, Tuba, E-Bass, Schlagzeug/ Xylophon. Jedes Kind erlernt ein Instrument, dafür sind keine Vorkenntnisse notwendig.
Diese Projektklasse ist besonders für Kinder interessant, die
- eines der o.g. Musikinstrumente spielen lernen möchten,
- Freude daran haben, im Klassenorchester gemeinsam mit anderen zu musizieren,
- durch praktisches Musizieren Verständnis für Musik entwickeln möchten.
Wichtige Voraussetzungen für die Arbeit in dieser Projektklasse sind
- die Bereitschaft regelmäßig zu üben,
- Disziplin, denn bis zum Konzert müssen die Stücke aufführungsreif sein,
- Verlässlichkeit, denn der Erfolg beim gemeinsamen Musizieren hängt davon ab, dass alle geübt haben.
Kinder, die in der Musikklasse sind, nehmen regelmäßig an außerunterrichtlichen und außerschulischen Veranstaltungen teil, z.B. an
- Konzerten des Klassenorchesters (z.B. Jahreskonzerte, Auftritte in unserer und in anderen Schulen, bei Weihnachtskonzerten, beim Tag der offenen Tür der Anne-Frank-Gesamtschule, beim Begegnungsfest),
- Orchester-Klassenfahrten.
5.2.3. Grundformen des Unterrichtens und kooperative Methoden
Zunächst sei betont, dass in der Anne-Frank-Gesamtschule darauf geachtet wird, ein ausgewogenes Verhältnis der Grundformen des Unterrichtens anzubieten. Zu den Grundformen zählen wir:
- Gemeinsamer Unterricht in der Klasse, der die Arbeitsfähigkeit der Lerngruppe sicherstellen soll,
- die direkte Instruktion durch eine Lehrkraft, die vergleichbar ist mit dem, was man unter Plenumsunterricht versteht,
- den individualisierten Unterricht, in dem überwiegend selbstverantwortliches und selbstgesteuertes Lernen stattfindet (Lernbüros mit Lernpfaden und projektorientiertes Lernen (s. Kap. 5.1.1. bis 5.1.4),
- den kooperativen Unterricht, in dem ebenfalls ein hohes Maß an Selbststeuerung möglich ist, der aber vorwiegend der Förderung der Teamarbeit und bestimmter methodischer Elemente (Methodencurriculum der AFS mit Lerntempoduett, Gruppenturnier etc.) dient.
Wir gewichten die Entwicklung der Formen des individualisierten Unterrichts in besonderem Maße, da wir damit der Heterogenität unserer Schülerschaft besser gerecht werden können. Dabei wollen wir aus didaktischer Perspektive die Grundformen des Unterrichts sinnvoll miteinander verbinden, sodass wir die anderen Grundformen des Unterrichtens und Lehrens nicht aus dem Blick verlieren.
In unserem Unterrichtsaufbau folgen wir im Sinne des Kooperativen Lernens der Grundstruktur des methodischen Dreischritts „Think – Pair – Share“. Zu den weiteren, von uns Lehrkräften im Rahmen von Unterrichtsplanung und -vorbereitung berücksichtigten Gelingensbedingungen kooperativ aufbereiteter Materialien gehören:
- das Angebot differenzierter Aufgabenstellungen, wodurch es in heterogenen Lerngruppen eher gelingt, Schülerinnen und Schüler im Zuge der Bearbeitung von Aufgaben eine Selbstdifferenzierung zu ermöglichen, die beinhaltet, dass Schülerinnen und Schüler im Zuge der Bearbeitung der Aufgabe ihr inhaltliches Anspruchsniveau selbstständig aufsuchen können,
- das Schaffen einer positiven Abhängigkeit, d.h. die Mitglieder einer Gruppe sind in ihrem gemeinsamen Tun bzw. Bearbeiten einer Aufgabenstellung voneinander abhängig. Der Einzelne kann sein Ziel nur erreichen, wenn auch die anderen der Gruppe mitziehen,
- das Erzeugen persönlicher Verantwortung bei der Schülerin bzw. dem Schüler, was bedeutet, dass jedes Gruppenmitglied ihren bzw. seinen Beitrag zum Erreichen der gegebenen Aufgabenziele leistet und alle durch gegenseitige Unterstützung dafür sorgen, dass auch jedes andere Mitglied der Gruppe die Ziele erreicht,
- das Erwerben sozialer Kompetenzen und deren Weiterentwicklung durch Absprachen, Rituale und Rollen innerhalb der Gruppenarbeit. Angestrebt wird, dass die Mitglieder einer Gruppe angemessen miteinander arbeiten und kommunizieren,
- das Reflektieren des Arbeitsprozesses, der Ergebnisse und deren Präsentation, indem das individuelle wie auch das gemeinsame Arbeiten und Lernen in der Gruppe überprüft und bewertet wird. Damit verbinden wir auch das Ziel, die Akzeptanz für unterschiedliche Arbeitsergebnisse bei Mitgliedern der Lerngruppe zu fördern, was wir insgesamt als Ausdruck von Wertschätzung begreifen.
5.3. Die Jahrgangsstufen 7 – 10
5.3.1. Grund- und Erweiterungskurse
Der Unterricht wird ab Klasse 7 in den Fächern Englisch und Mathematik und im Fach Deutsch ab Klasse 8 in Grund- und Erweiterungskursen erteilt, im Fach Chemie ab Klasse 9. Der Unterricht in Klasse 7 findet in Englisch und Mathematik im Klassenverband statt. Ab Klasse 8 wird der Unterricht in allen Fächern fachleistungsdifferenziert in Grund- und Erweiterungskursen erteilt. Wechsel zwischen G- und E-Kursen sind möglich, wodurch die Schullaufbahn lange offengehalten wird. Bis zur Klasse 9 gibt es an unserer Schule kein „Sitzenbleiben“. Am Ende der Klasse 10 besteht dann die Möglichkeit, die oben genannten Abschlüsse zu erreichen.
5.3.2. Der Wahlpflichtbereich
Ab Klasse 7 ergänzt der Wahlpflichtunterricht das Unterrichtsangebot. In diesem Bereich haben die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, eine zweite Fremdsprache – entweder Französisch oder Spanisch – zu wählen. Neben der zweiten Fremdsprache werden als weitere Fächer im Wahlpflichtbereich Arbeitslehre, Darstellen und Gestalten sowie Naturwissenschaften angeboten.
5.3.3. Latein ab Jahrgangsstufe 9
Ab dem Schuljahr 2023/24 kann das Fach Latein an der Anne-Frank-Schule in den Jahrgängen 9 bis 13 belegt werden (auslaufend ab Jahrgang 8). Im Jahrgang 9 können die Schülerinnen und Schüler Latein als Ergänzungsfach (2. oder 3. Fremdsprache) wählen und damit einen neuen Lernweg einschlagen, um sich weitergehend zu qualifizieren. Eine intensive Beratung der Kinder und Eltern hinsichtlich der Wahl des Faches Latein findet sowohl durch die Klassenleitung als auch durch die Fachlehrkräfte statt. Schüler und Schülerinnen der gymnasialen Oberstufe können die Sprache ab der Einführungsphase als Grundkurs fortführen und erhalten am Ende des ersten Jahres der Qualifikationsphase bei ausreichenden Leistungen das Latinum. Ebenso ist es möglich, Latein als drittes oder viertes Abiturfach zu wählen. Der Lateinunterricht versteht sich im besonderen Maße als interdisziplinär, sodass durch die Fachlehrkräfte zahlreiche Anknüpfungspunkte an andere Fächer geschaffen und gestärkt werden.
5.3.4. Die Praktikumsklasse
Die Praktikumsklasse stellt ein Element der Landesinitiative „Kein Abschluss ohne Anschluss – Übergang Schule-Beruf in NRW“ (KAoA) in Nordrhein-Westfalen dar. Eines der vier zentralen Handlungsfelder der Landesinitiative ist die systematische Berufs- und Studienorientierung mit definierten Standardelementen, eines dieser Standardelemente ist das „Langzeitpraktikum“.
Grundsätzlich sind Schülerinnen und Schüler ab Klasse 8 angesprochen, die im vorletzten oder letzten Schulbesuchsjahr sind und die aufgrund ihres Leistungsstandes (oder akuter persönlicher Probleme) akut abschlussgefährdet sind und daher keine realistische Chance haben, direkt im Anschluss an den Schulabgang in ein Ausbildungsverhältnis zu gelangen. Auch Schülerinnen und Schüler, die den Ansprüchen der Zentralen Prüfungen in den Hauptfächern voraussichtlich nicht gewachsen sein werden, können nach eingehender Beratung in der Zeugniskonferenz des 9. Jahrgangs dahingehend beraten werden, sich für die Praktikumsklasse zu entscheiden. Die Durchlässigkeit der Abschlüsse ist jedoch auch im Rahmen der Praktikumsklasse gegeben: Nach erfolgreicher Absolvierung der Praktikumsklasse ist ein Erreichen des qualifizierten Hauptschulabschlusses in unserer Schule oder in einer berufsbildenden Schule oder der direkte Übergang in eine Ausbildung möglich.
Die Ausgestaltung der Praktikumsklasse wird nach dem Vorbild der ehemaligen BuS-Klasse umgesetzt: im Klassenverband und mit zwei Praktikumstagen in der Woche. Die Klasse wird von einem Klassenleitungsteam betreut, das sowohl die Vorgespräche (Praktikumssuche und berufliche Beratung, Unterstützung bei der Bewerbung und Kontakt mit Betrieben) als auch die persönliche Beratung (Hilfestellung bei familiären Problemen, Kontakt mit Jugendämtern, Beratungsstellen, Coaching in lebenspraktischen Bereichen usw.) und die Lernberatung vornimmt.
Die pädagogischen Schwerpunkte der Arbeit liegen in der Förderung der Eigenverantwortung, in der Beziehungsarbeit zu den Jugendlichen (die auch durch viele Einzelgespräche und gemeinsame, außerschulische Aktivitäten gefördert wird), dem Verständnis der Lehrpersonen als Lernbegleiter und in der konsequenten Einhaltung von gemeinsam erarbeiteten Regeln und Vereinbarungen.
2017 verließen 11149 Schülerinnen und Schüler in NRW die Schule ohne einen Hauptschulabschluss, davon erhielten rund die Hälfte der 5,7 Prozent einen Abschluss mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt und somit im Anschluss an die Schule besondere Hilfen.
5077 Schüler, davon 3078 männliche und 1999 weibliche Schüler, beendeten ihre Schullaufbahn ohne jeglichen Abschluss, das sind 2017 2,6 Prozent.
Im Kreis Gütersloh liegt die Quote der Schulabgänger ohne HA 9 im Jahr 2017 höher, bei 6,7 Prozent. Zudem wird deutlich, dass mehr Jungen ihren Abschluss nicht erhalten und statistisch gesehen häufiger Jungen mit Migrationshintergrund.
Die Bertelsmann Stiftung wies in ihrer Studie 2011 zu den Folgekosten mangelnder Bildung zu Recht auf die hohen Kosten hin, die nicht nur aus der Notwendigkeit der finanziellen Unterstützung resultieren, sondern auch aus dem volkswirtschaftlichen Verlust, da kein Einkommen generiert wird, welches versteuert werden könnte.
Mit dem monetären Verlust geht vor allen Dingen aber ein persönlicher einher, der für die Institution Schule weit wichtiger erscheint. Schülerinnen und Schüler erleben ein Scheitern ihrer schulischen Laufbahn, häufig verbunden mit einem negativen Selbstbild und wenig Hoffnung auf eine berufliche Perspektive.
Aus diesen Gegebenheiten resultiert für uns als Schule der Auftrag bzw. das Ziel, Schülerinnen und Schüler mit schwierigen Bildungsbiografien dahingehend zu unterstützen, ihren Abschluss bei uns zu erwerben und Hilfen zu leisten, damit idealerweise ein Übergang in eine Ausbildung geschaffen werden kann.
5.4. Die gymnasiale Oberstufe
Die gymnasiale Oberstufe der Anne-Frank-Gesamtschule ist drei- bis vierzügig. Die Gruppen setzen sich zusammen aus Schülerinnen und Schülern, die bis Klasse 10 unsere Schule besucht haben, sowie aus Schülerinnen und Schülern von Haupt- und Realschulen, von berufsbildenden Schulen und von Gymnasien, die den Qualifikationsvermerk zur Fachoberschulreife (FOR-Q) bzw. die Versetzung in die Jahrgangsstufe 10 des Gymnasiums erreicht haben.
Für die Oberstufen an Gesamtschulen und Gymnasien gelten die gleichen Richtlinien, Lehrpläne und Prüfungsbedingungen im Abiturbereich. Die Vergleichbarkeit der Anforderungen und Abschlüsse wird jährlich durch Stichprobenerhebungen und Zweitkorrekturen durch Lehrkräfte anderer Schulen überprüft. So ist die Gleichwertigkeit der Abiturzeugnisse gegenüber Universitäten, Arbeitgebern und anderen Institutionen gewährleistet.
Die vielfältigen Berufswege, die unsere „Ehemaligen“ erfolgreich eingeschlagen haben, zeigen, dass ihnen bei entsprechenden Leistungen alle Wege offenstehen.
Die rechtlichen und formalen Merkmale der gymnasialen Oberstufen verschiedener Schulen sind also gleich; der Schulalltag und die Wege zum Abitur können aber verschieden aussehen.
In unserer Oberstufe werden besondere Akzente gesetzt, die für viele Schülerinnen und Schüler ein attraktives Angebot darstellen:
- Der Einstieg in die Oberstufe wird den Jugendlichen durch besondere Angebote in der Einführungsphase erleichtert. Dazu gehören zum einen die Arbeit in festen Klassenverbänden in den Fächern Deutsch, Mathematik, Englisch und Sport und zum anderen die Teilnahme an einem zweitägigen Seminar zum Thema „Fit für das Lernen – Fit für das Leben“ im Haus Neuland (Bielefeld Sennestadt). Dieses Seminar dient neben der Vertiefung sinnvoller Lerntechniken auch dem Kennenlernen und Zusammenwachsen der neuen Gruppe.
- Die Schülerinnen und Schüler eines jeden Jahrgangs werden durch zwei Jahrgangsleiterinnen/-leiter intensiv beraten und betreut.
- Das Angebot der einzelnen Unterrichtsfächer wird in einem Reader vorgestellt, der regelmäßig aktualisiert wird.
- Als Leistungskurse haben sich an unserer Schule die Fächer Deutsch, Englisch, Mathematik, Biologie, Geschichte und Erziehungswissenschaften bewährt.
- Im Bereich der Fremdsprachen werden neben Englisch und Latein als fortgeführte Fremdsprachen Spanisch und (ab dem Schuljahr 2020/21) Französisch angeboten. Spanisch kann darüber hinaus auch als neueinsetzende Fremdsprache angewählt werden.
- Kooperatives und eigenverantwortliches Lernen haben in unserer Oberstufe einen großen Stellenwert. Insbesondere in den Lernzeiten, die jeder Schüler und jede Schülerin absolvieren muss, ist diese Selbstständigkeit ein Erfordernis. Sie bieten Raum für Einzel-, Partner- und Gruppenarbeiten, die durch die Nutzung digitaler Medien sinnvoll gestaltet werden.
- Orientierungen für Studium und Beruf sind von großer Bedeutung in unserer Oberstufe. Dazu gehört ein Oberstufenpraktikum. Dieses unterstützt die individuelle Lebensplanung und die Einstellungschancen nach der Schulzeit.
- Darüber hinaus wird auch jährlich ein Seminar unter dem Titel: „Abitur- und wie weiter?“ am Ende der Einführungsphase durchgeführt, das die Schülerinnen und Schülern bei der beruflichen Orientierung unterstützen soll. Weiterhin haben die Schülerinnen und Schüler der Qualifikationsphase 1 die Gelegenheit, an den Orientierungstagen der Universitäten, v.a. der Universität Bielefeld, und an der Berufemesse „vocatium“ teilzunehmen.
- Zur Vertiefung des im Unterricht Gelernten gibt es verschiedene Projekte wie die Arbeit des Leistungskurses Pädagogik in der Westfälischen Klinik oder das Projekt „Alt und Jung“ in Zusammenarbeit mit dem Wilhelm-Florin-Haus. Auch wird seit dem Schuljahr 2019/2020 ein Projektkurs „Schülerfirma“ angeboten, in dem die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die einzelnen Schritte von der Produktidee über die Produktion und Vermarktung desselben kennenlernen und umsetzen.
- In verschiedenen Workshops werden die Schülerinnen und Schüler auf die Facharbeit in der Q1 vorbereitet. Zusätzlich erhält jeder und jede Einzelne einen Leitfaden mit den wichtigsten Informationen zur Facharbeit, der auch bei späteren Hausarbeiten im Studium hilfreich sein kann.
- Der Unterricht der gymnasialen Oberstufe findet in einem neuen Schulgebäude mit sehr ansprechenden Räumen und moderner Medienausstattung statt. Ein Schülerinnen und Schülerarbeitsraum mit Computern dient dem selbstständigen Lernen; ein Schülercafé bietet eine angenehme Atmosphäre für den Aufenthalt in Freistunden.
- Zunehmend fließen in den Kursen die Chancen und Möglichkeiten der Digitalisierung ein, indem z.B. Lehrvideos gedreht bzw. unterschiedliche Apps zur Visualisierung genutzt werden.
- Seit dem Schuljahr 2017/2018 organisieren die Schülerinnen und Schüler des Abiturjahrgangs eigenständig einen Kulturabend. Hier können die Talente des Jahrgangs ihre Fähigkeiten in den Bereichen Musik, Gesang, bildliche Kunst und Theater präsentieren.
Das Hauptziel der gymnasialen Oberstufe an der Anne-Frank-Schule besteht zum einen selbstverständlich in der Hinführung der Schülerinnen und Schüler zum Abitur bzw. zum schulischen Teil der Fachhochschulreife. Zum anderen ist uns aber mindestens genauso wichtig, dass unsere Absolventen und Absolventinnen als mündige, umweltbewusste und sozial kompetente Menschen „ins Leben“ entlassen werden.