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Mit Peter Gingold starb 2006 einer der bekanntesten deutschen Résistancekämpfer jüdischer Herkunft. Im Rahmen der Veranstaltungen zum 3ojährigen Bestehen der AFS lasen Tochter Silvia und Enkel Joscha aus seinn 2009 posthum erschienenen Lebenserinnerungen „Paris – Boulevard St. Martin No. 11“.

Peter Gingolds Engagement gegen das nationalsozialistische Regime, aber auch später in der Bundesrepublik gegen jede aufkommende faschistische Tendenz brachte ihm viele Ehrungen, so u.a. 2004 die Carl-von-Ossietzky-Medaille der Internationalen Liga für Menschenrechte, die er zusammen mit Esther Bejarano empfing, – auch sie keine Unbekannte in der AFS. Unterbrochen und umrahmt war die Veranstaltung von Klezmermusik der Gruppe „Tacheles & Schmu“, zu der eben auch der Enkel Joscha gehört. Viele der Lieder waren im Widerstand gegen die nationalsozialistische Diktatur entstanden, so vor allem das „Sage nie den letzten Weg“ aus dem Warschauer Ghetto.

Gingolds Tochter Silvia und ihr Sohn Joscha verstanden es, teils mit Auszügen aus den Lebenserinnerungen, teils mit Zusammenfassungen größerer Passagen das normale Leben der Familie in Frankfurt nachzuzeichnen, das bereits 1933 wegen der jüdischen Herkunft der Familie einen gewaltigen Eingriff zu erleiden hat. Die Auswanderung nach Frankreich, der Gang in den Untergrund nach der deutschen Besetzung Frankreichs, der Anschluss an die französische Widerstandsbewegung, das Leben in der Illegalität, aber auch die Solidarität der französischen Bevölkerung, seine Verhaftung in Dijon und seine Flucht entstanden vor den Augen der Zuhörer in dramatischen Bildern, – wohl auch wegen der schnörkellosen, streckenweise nur nüchtern berichtenden Sprache. „Die Morgenröte der Menschheitsgeschichte“, den 8. Mai 1945, erlebte Peter Gingold in Turin, inzwischen in der italienischen Resistenza tätig. Nach Frankfurt zurückgekehrt trat P. Gingold unermüdlich gegen die Schlussstrichmentalität, gegen die Integration der braunen Täter in die neuen Funktionseliten auf und engagierte sich in Schulen und Bildungswerken als Zeitzeuge des Widerstands gegen Vergessen und Verschweigen, getreu seiner Maxime: „Nie aufgeben!“ Tochter Silvia zitierte aus einer Rede ihres Vaters von 1992: „Auch ich gehörte zu den 800.000 Deutschen, die Asyl in fremden Ländern fanden, in der Hoffnung auf Solidarität.“ Sein Engagement verstand er auch „als Zeichen eines humanen Deutschlands“, das der Welt Dankbarkeit schuldet. Das Publikum reagierte mit spontanem Beifall.

Schulleiter Jörg Witteborg stellte die Veranstaltung in die Tradition der Anne-Frank-Schule, die bemüht ist, ihren Namen auch zu leben, für Demokratie und Gerechtigkeit, gegen Faschismus.

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