Diese Fragen haben wir Schülerinnen und Schüler des 11. Jahrgangs der Anne-Frank-Gesamtschule von unserer Deutschlehrerin Frau Hinrichs gestellt bekommen. Wir äußerten unsere Gedanken und Vorstellungen, die so unterschiedlich waren, dass wir viel diskutierten, über unsere Meinung nachdachten und sie zum Teil revidierten.
Manche dachten bei dem Begriff „Heimat“ an ihr Zuhause, für andere wiederum ist Heimat mit einem Gegenstand oder mit bestimmten Gefühlen verbunden. Und auch der Begriff „Fremde“ wurde sehr unterschiedlich erläutert. Wir stellten uns darunter nicht nur den Umzug in ein fremdes Land oder eine neue Kultur vor, sondern definierten ihn auch als Übergang in eine neue Situation, zum Beispiel den Schulwechsel zu Beginn dieses Schuljahres.
Im Anschluss analysierten und diskutierten wir unterschiedliche Gedichte zum Thema „Fremdheitserfahrungen in lyrischen Texten“ , von modernen Autoren wie Nevfel Cumart, die der interkulturellen Lyrik zuzuordnen sind, bis zu älteren Dichtern wie Heine oder Mascha Kaléko, die sich in ihren Gedichten mit ihrer Exilsituation auseinandersetzten.
In der letzten Phase haben wir unsere Gedanken zum Thema in eigenen Texten niedergeschrieben. Wir sammelten Ideen, erstellten Rohfassungen, feilten stundenlang an unseren entwickelten Gedichten und verfeinerten Formulierungen, sprachliche Mittel und natürlich die Rechtschreibung und Interpunktion. Auf diese Weise setzte sich jeder von uns intensiv mit seiner eigenen Interpretation von Heimat und/oder Fremde auseinander.
Und was ist Heimat für Sie? Was ist Fremde für Sie?
Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen hoffen, dass wir Ihnen mit unseren Gedichten auch einige Denkanstöße geben können.
Unbekannte fremde
Warum in der gewohnten Umgebung
bleiben,
wenn die Fremde
dich ruft.
Der Rucksack
voll gepackt
die Füße
bereit zu laufen
doch
das Gefühl vom Vertrauten
hält dich fest.
Wer versichert dir,
dass du zurückkehren kannst?
Wer versichert dir,
dass die Fremde
deine Heimat wird?
Chiara E.
geteiltes ich
weiß-rot sind meine wurzeln
doch auch schwarz-rot-gold
geboren in dem einen land
doch drei jahre gelebt in dem anderen
heimat ist mehr als nur ein wort
die leute die ich liebe
auch wenn wir nicht vereint sind
trage ich sie in meinem inneren
welche seite werde ich wählen
Den schwarzen oder weißen adler
ich fühle mich zerrissen
entscheiden kann ich mich
nicht
Sarah Kowalski
Neue Heimat in der Fremde?
Heimat
ist der Ort
des inneren Wohlempfindens
es sind die Menschen
und ihre Vielfalt
Heimat
ist der Ort
der sich Familie nennt
der Ort der Gemeinschaft
und der Liebe
Fremde
ist der Ort
der Angst
der Unsicherheit
des Verlustes
der vertrauten Umgebung
Aber auch der Ort
des Neuanfangs
der Entdeckung
unerwarteter Möglichkeiten
Juliana
Millennials
Gefangen im Land der Perfektion.
dort wo kein Platz ist
für Ausnahmen,
für Fehler,
für Einzigartigkeit.
Gefangen im Bann des Netzes,
um dich herum Gitter.
Das Schloss
schon lange verriegelt,
der Schlüssel,
für die Freiheit unerreichbar.
Verbunden mit jedem und allem,
außer mit dir selbst.
Durch Lügen statt Realität,
gelingt der Schein der Perfektion.
Bis du endgültig aufgibst,
verstrahlt,
vernebelt,
verblendet,
und verblasst im Schein des Bildschirms.
-Bennet de Boer-
Meine Wurzeln
Meine Heimat ist wie ein Baum
voller Zweige
mit Wurzeln im Herzen,
die mir Sicherheit gewähren
Ein Zweig
voller wunderbarer Momente,
der Tag für Tag wächst.
Daneben ein zweiter,
der sich windet
im Wind
mit Melodien,
die leise klingen.
Eine Wurzel
Mit den Tieren
Der Kindheit.
Eine Wurzel
Mit einzigartigen Menschen.
Die Wurzeln
sind tief verankert
sind alles
was mich am Boden hält.
Meine Heimat ist wie ein Baum,
der wächst durch die Liebe
hoch hinaus
und
ich wachse durch ihn
über mich hinaus.
Henrike Kuckelt
Fotos: Fabian Flöper