Neue Westfälische, 04.11.2022
Arbnora Seferi-Qengaj stemmt sich an der Anne-Frank-Gesamtschule gegen Mobbing und Rassismus. Noch ist ihre neu geschaffene Stelle für das kommende Jahr nicht finanziell gesichert.
Gütersloh. Sie ist schon jetzt aus dem Schulalltag nicht mehr wegzudenken: Anfang des Jahres ist Arbnora Seferi-Qengaj an der Anne-Frank-Gesamtschule (AFS) in Gütersloh gestartet. Sie ist Respekt-Coach, kämpft gegen Mobbing und Rassismus sowie für die Vermittlung demokratischer Werte. Doch zum Jahresende droht ihrer Stelle nun das Aus.
„Der Respekt-Coach in Gütersloh ist beim Jugendmigrationsdienst (JMD) der Diakonie Gütersloh angesiedelt. Bisher wurde die Stelle mit zusätzlichem Geld vom Bund nahezu vollständig gefördert.“, teilt die Diakonie mit. Doch für 2023 ist im Bundeshaushalt ein solcher Zuschuss nicht mehr vorgesehen. Das halten nicht nur Vertreterinnen des JMD in Gütersloh für ein Unding. Auch Schülervertreterinnen der Anne-Frank-Schule setzen sich dafür ein, dass „ihre“ Respekt-Coachin Arbnora Seferi-Qengaj bleiben kann.
Dies machten sie jetzt bei einem Treffen im Café Connect in einem Gespräch mit der Bundestagsabgeordneten Wiebke Esdar (SPD) deutlich. Dorothee Großkraumbach vom JMD betonte: „Es geht hier auch nicht nur um eine Arbeitsstelle. Alles würde weg-fallen, was die Kollegin in den vergangenen Monaten aufgebaut hat.“
Workshop gegen Mobbing mit Rapper Martin Ritsch
Und das ist einiges, wie drei Schülervertreterinnen von der AFS berichteten. „Arbnora zeigt uns, wie wir Themen wie Rassismus näher an die Schülerschaft heranbringen können“, so Schülersprecherin Maria-Alexandra Sirghi. „Mit den Ideen und der Hilfe der Respekt-Coachin konnten wir zum Beispiel unseren SV-Tag besser planen und um Aktivitäten und Angebote bereichern.“
Etwa jeder dritte von insgesamt 30 Workshops sei auf Initiative der Respekt-Coachin zustande gekommen. „Außer-dem“, so Maria-Alexandra Sirghi weiter, „können wir mit Arbnoras Hilfe mehr finanzielle Unterstützung erhalten, denn uns steht für unsere SV-Arbeit sehr wenig Geld zur Verfügung.“ Zu den bereits um-gesetzten Gruppenangeboten gehören: — der Workshop „Mobbing stoppen — Werte vermitteln“, ein intensives Training für die siebten Klassen mit Unterstützung des Rappers Martin Kitsch aus Hannover. Des Weiteren gab es auch ein Resilienztraining zur Stressbewältigung. Dabei sollten Schülerinnen und Schüler der achten Klasse lernen, mit Niederlagen umzugehen.
Viele Schülerinnen und. Schüler hatten sich solche Angebote gewünscht, so das Ergebnis von Umfragen. Neue Pläne werden ebenfalls geschmiedet: So ist ein Rockfestival an der Gesamtschule im Gespräch, wie SV-Mitglied Janne Mia Clausen berichtete. Die Musikveranstaltung sei nicht nur für die Schule gedacht, „sondern von und mit der Schule, zum Beispiel auch für die Eltern und andere Interessierte.“ Dabei gehe es erneut um Rassismus und Courage. Hinter der Finanzierung steht allerdings noch ein großes Fragezeichen.
Und Juliet Louise Schrull als Mitglied der Schülervertretung (SV) schloss mit den Worten: „Auf die Anne-Frank-Schule kommen immer wieder neue Schülerinnen und Schüler. Auch sie müssen über unsere Werte und unser Demokratieverständnis aufgeklärt werden. Daher würden wir uns freuen, wenn das Respekt-Coach-Programm fortgeführt wird. Als zertifizierte ,Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage‘ können wir dann auch unsere Friedensbotschaft besser nach außen tragen.“
„Ein Cut wäre den Jugendlichen kaum vermittelbar“ „Hier jetzt einen Cut zu machen und die Respekt-Coach-Stelle einfach zu streichen, das wäre den Jugendlichen gerade in diesen schwierigen Zeiten kaum vermittelbar“, fügte JMD-Mitarbeiterin Marieke Purnhagen hinzu. Noch gibt es Hoffnung: Am 10. November findet die Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses statt. Es ist die abschließende Sitzung im Aufstellungsverfahren eines Haushaltsplans, in der offen gebliebene Punkte abgestimmt werden.
Wiebke Esdar versicherte beim Treffen, sich verstärkt für das Respekt-Coach-Programm einzusetzen. Gleichzeitig bat sie um Verständnis: „Die Haushaltsverhandlungen sind von harten, wirklich schmerzhaften Kürzungen betroffen, auch im Bereich der Bildung.“ Zumindest der JMD muss nicht mehr zittern: Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages beschloss vor wenigen Tagen, erneut acht Millionen Euro zur Finanzierung der Jugendmigrationsdienste (JMD) in Deutschland zu bewilligen.
Im Jahr 2018 startete der Jugendmigrationsdienst (JMD) das Programm „Respekt-Coaches“. Es soll Rassismus und Ausgrenzung entgegenwirken und damit zum sozialen Frieden bei-tragen. Präventive Angebote gibt es an 270 Schulen in Deutschland, darunter seit Januar 2022 an der Anne-Frank-Gesamtschule in Gütersloh.
Dort arbeitet der JMD eng mit der Schulleitung, der Schulsozialarbeit, den jeweiligen Klassenlehrerinnen und -lehrern und den Kindern und Jugendlichen zusammen. Respekt-Coach Arbnora Seferi-Qengaj hat in vielen Gesprächen die Bedarfe für diese Schule er-mittelt. Nun soll ein Präventionskonzept entstehen und darauf aufbauend weitere (Gruppen-)Angebote wie AGs, Exkursionen, Seminare, Ausstellungen und Vorträge. „Wichtig ist hier-bei vor allem, dass ich mich mit lokalen Trägern vernetze, so dass ich auch nachhaltigere Projekte anbieten kann“, erläutert Arbnora Seferi-Qengaj.