Seite wählen

Fuera de Foco Crew – eine Tanzgruppe aus Buenos Aires auf Tournee in Gütersloh

¿Quién levanta la mano? ( dt.: Wer erhebt die Hand?)

So hieß das Stück, das die argentinische Tanzgruppe Fuera de Foco aus Buenos Aires im Theater der Stadt Gütersloh am 27.9. 2018 aufführte.

Für Schülerinnen und Schüler der 12. und 13. Jahrgangsstufe der AFS war es ein ganz besonderes Ereignis, denn die 8 Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Tanzgruppe waren drei Tage bei ihnen und ihren Familien zu Gast.

Die jungen Argentinier kommen aus einem armen Stadtteil von Buenos Aires, das im wahrsten Sinne des Wortes „außerhalb des Blickpunkts“ liegt (d.h. „fuera de foco“).

Die Aufführung war beindruckend und bedrückend zugleich. Mit ungeheurer Energie und Intensität machten die Tänzer auf die Probleme und persönlichen Erfahrungen in ihrem Lebensumfeld/ Alltag aufmerksam: Diskriminierung, Gewalt, Hoffnungslosigkeit… Mit ihrem aktuellen Programm ¿Quién levanta la mano?“ (dt.: Wer erhebt die Hand?) fordern sie auch dazu auf, aufzustehen und der Ungerechtigkeit der Welt den Kampf anzusagen.

Am Vormittag nach der Aufführung nahmen die gastgebenden und weitere Oberstufenschüler der AFS zusammen mit den jungen Argentiniern an einem (schweißtreibenden) Tanzworkshop im Theater teil – angeleitet von der spanischsprechenden Leiterin der Tanzgruppe.

Die Gestaltung des Wochenendes lag ganz in den Händen der gastgebenden AFS-Schüler, die ihre Spanischkenntnisse anwenden mussten. Zusammen mit ihren argentinischen Gästen verbrachten sie den Freitagabend, fuhren z.B. zu einem Arminia-Spiel ins Stadion nach Bielefeld oder feierten mit Freunden, gingen am Samstag mit ihnen Kanu fahren oder in die Stadt, genossen das schöne Wetter in einem Park etc.

Am letzten Abend feierten alle zusammen im Haus eines Gastgebers den Geburtstag einer jungen Argentinierin – mit allerlei mitgebrachten Köstlichkeiten und, natürlich, ausgelassenem Tanz.

Für die gastgebenden Schüler und Eltern der AFS war diese Begegnung  mit  den jungen Leuten einer anderen Kultur und ihrer ungleich schwierigeren Lebensrealität, neben der sprachlichen Herausforderung, eine unvergessliche Bereicherung.

Fahrt der Anne-Frank-AG II nach Budapest

Schweigen und Gleichgültigkeit sind die allergrößten Vergehen (Elie Wiesel, 1986)

Wer sich mit der Geschichte befasst, kann aus ihr lernen. Wer die Geschichten der Zeitzeugen hört, kann mitfühlen. Wer lernt und mitfühlt, kann dafür sorgen, dass sich die Geschichte nicht wiederholt. Diesen Weg geht die Anne-Frank-AG II, bestehend aus  30 Schüler*innen aus den Jahrgängen 8-12,  schon seit vielen Jahren und besuchte unter anderem Städte wie Krakau, Wien oder Prag.

In diesem Jahr reiste sie vom 1.7.- 5.7.2018 in die ungarische Hauptstadt Budapest, um dort mehr über die Geschichte der ungarischen Juden und ihre Verfolgung durch die Nationalsozialisten sowie durch die ungarischen „Pfeilkreuzler“ (faschistische und antisemitische Partei Ungarns zwischen 1935 und 1945) zu erfahren.

Die Schüler*innen sahen die größte Synagoge Europas und besuchten den „Raoul-Wallenberg-Gedenkpark“, in dem ein aus Metall bestehender Gedenkbaum in Form einer Trauerweide errichtet wurde, der den entrechteten, gedemütigten, gequälten und ermordeten Juden Ungarns gewidmet ist – jedes Blatt dieses Baumes trägt den Namen eines Menschen, der durch den nationalsozialistischen Terror ums Leben kam.

Die Arbeitsgemeinschaft hatte immer wieder die Gelegenheit, die Perspektive der heutigen Ungarn kennenzulernen. Wir begegneten aufgeschlossenen, der ungarischen Politik und der sich verändernden Erinnerungskultur kritisch gegenüberstehenden Fachleuten, die uns vielschichtig und umfassend informierten und durch Budapest führten.

Ein für alle Beteiligten besonders bewegender Moment war der Besuch des Mahnmals „Schuhe am Donauufer“, an dem die Schüler*innen Teelichter anzündeten und eine Gedenkminute abhielten. An diesem Ufer starben Budapester Juden, als sie dort zusammengebunden erschossen wurden oder verletzt in der Donau ertranken.

Dieses Mahnmal wurde am Folgetag erneut ins Gedächtnis gerufen, als die Gruppe auf eine Zeitzeugin und Überlebende der Shoah traf, die berichtete, dass auch sie, damals als kleines Mädchen, an dieser Stelle des Donauufers gestanden habe und miterleben musste, wie am anderen Ende der Reihe bereits Menschen hinabstürzten – sie habe diesen Alptraum dank der Hilfe des schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg überlebt, erzählte sie.

Genau wie der Auschwitz-Überlebende Elie Wiesel appelliert auch die ungarische Überlebende an die Schüler*innen, niemals zu vergessen, was geschehen ist, dafür zu sorgen, dass diese Verbrechen sich nicht wiederholen und aufzustehen, wenn sie Intoleranz und Hass erleben.

Insgesamt blicken wir alle auf eine interessante, informative, aber vor allem auch bewegende Zeit in Budapest zurück.

Miep-Gies-Weg

Mit Ratsbeschluss vom 29. April 1988 erhielt vor 30 Jahren die Anne-Frank-Schule ihren Namen, der von der Schulgemeinschaft als allfälliges Bekenntnis gegen Rassismus und fortwährenden Einsatz für Menschenrechte verstanden wird.

Anne Frank und ihre Familie konnten in ihrem Versteck nur ausharren, weil Miep und Jan Gies sie versorgten. Miep Gies war es dann auch, die das heute weltbekannte Tagebuch sicher stellte. Mehrfach war sie Gast in der Anne-Frank-Schule, von der sie sagte: „Ich habe viele Schulen in Europa besucht, aber so treu wie die Schule in Gütersloh ist keine andere.“ und regelmäßig begrüßte sie in Amsterdam die Anne-Frank-AG unter Leitung von Wilfried Limper. Anne Frank und Miep Gies, „beide Namen gehören zusammen“, stellte Bürgermeister Henning Schulz fest und sprach den Dank des Rates für die Initiative der AFS aus, Miep Gies durch eine Straßenbenennung zu ehren. Am 6. Juli 2018 wurde diese Ehrung in einem Festakt im Forum der Schule begangen und anschließend durch Schildenthüllung und Aufstellen einer Gedenk- und Informationstafel vollzogen.

Ton Lansink, niederländischer Generalkonsul in Düsseldorf, führte aus,  Miep Gies sei „kein Held, sondern ein normaler Mensch in schrecklicher Zeit“ gewesen, einer Zeit, deren Wiederkehr alle gewöhnlichen Menschen verhindern müssen, die die Freiheit verteidigen wollen und sich jeden Tag neu für die Freiheit entscheiden. Auch der Leiter des Anne-Frank-Zentrums in Berlin, Patrick Siegele,  charakterisierte Miep Gies als bescheidenen, zugleich entschlossenen Menschen: Sie hätte sich sicherlich gefreut, nicht um ihrer Ehrung willen, sondern weil die Benennung ein Denkanstoß sei. Ausführlich erinnerte der frühere und an der Namengebung aktiv beteiligte Schulleiter Reinhard Rolfes des Prozesses der Namensfindung, ausführlich legte er dar, mit welchen konkreten Schritten die Schulgemeinde in den Folgejahren ihrer Selbstverpflichtung, für Demokratie und Menschenrechte einzustehen, nachgekommen ist: „Diese Traditionslinie wird weiterlaufen und sie wird ermöglicht durch die tiefe Identifikation der Schule mit ihrer Namenspatronin.“

Anne Franks Auftrag lebt: v.l. Dimosthenis Koutsakis, Aleksandar Mitrović, Johannes Robers.

Dimosthenis Koutsakis (Schülersprecher), Aleksandar Mitrović (Anne-Frank-AG) und Johannes Robers (Projektkurs Jg. 12) zeigten, dass das Anliegen Miep Gies‘, sich gegen jede Form von Rassismus und Diskriminierung  zur Wehr zu setzen, in der Schulgegenwart vielfältig auf fruchtbaren Boden gefallen ist.

Bürgermeister Henning Schulz und Schulleiter Jörg Witteborg enthüllten dann Straßenschild und Informationstafel, während wie bereits zu Beginn das AFS Bläserensemble und der Schulchor Young Voices Beethovens „Ode an die Freude“ intonierten: „Alle Menschen werden Brüder …!“

Bild: Enthüllung der Informationstafel. v.l.: Altbürgermeister Karl Ernst Strothmann, Gert-Jan Jimmink (Amsterdam, Freund der Familie Gies)., Patrick Siegele, Johannes Robers, Dimosthenis Koutsakis, Wilfried Limper, Aleksandar Mitrović, Jörg Witteborg, Henning Schulz, Reinhard Rolfes, Ton Lansink

Fotos: Norbert Künzel

 

30 Jahre Namengebungsfeier – Einweihung Miep-Gies-Weg, Grußwort des Bürgermeisters Henning Schulz

Bei der Feier vor 30 Jahren, als diese Schule ihren Namen bekam, war ich selbst noch Schüler in Halle. Aber heute sitzen hier Menschen, die diesen Tag miterlebt haben. Mit einigen habe ich mich darüber unterhalten. Eines ist ihnen gemeinsam: Sie erzählen noch heute – nach drei Jahrzehnten – sehr berührt von der Begegnung mit Miep Gies. Sie kam damals mit ihrem Ehemann nach Gütersloh, um von Anne Franks Geschichte zu berichten. Es ist bekanntlich eine Erzählung aus erster Hand:

  • Miep Gies, die Frau, die zur Familie Frank und den anderen im Amsterdamer Hinterhaus den Kontakt hielt.
  • Miep Gies, die das Tagesbuch der Anne Frank rettete und die damit selbst zu einer Figur der Weltgeschichte wurde.

Eine kleine, freundliche, lebhafte ältere Dame mit leicht wienerischem Akzent – so wird sie beschrieben – die bis in ihr ganz hohes Alter weltweit unterwegs war – als Zeitzeugin ebenso wie als Botschafterin für die Werte, die Millionen Menschen in aller Welt mit dem Namen Anne Frank verbinden: den Kampf gegen Ausgrenzung und Rassismus, den Einsatz für Toleranz und Menschlichkeit und das „Nie wieder“ vor dem Hintergrund menschenverachtender Ideologien.

Miep Gies war nicht nur dieses eine Mal zu Gast in Gütersloh. Sie pflegte – ich glaube, das darf man so sagen – eine Freundschaft zum Ehepaar Rolfes. Und so wurde ein Band geknüpft zwischen Gütersloh und Amsterdam, das weit hinausreichte über eine Namensgebung und die damit verbundene Symbolik.

Rund 250 Schulen auf der Welt tragen den Namen von Anne Frank. Für alle sind die genannten Botschaften und Werte Programm, so auch für unsere Anne-Frank-Gesamtschule in Gütersloh. Hier jedoch blieb die Wirkung nicht allein auf die Schule beschränkt: Die Anne-Frank-Arbeitsgemeinschaft erforschte unter der Leitung von Wilfried Limper Anfang der Neunziger Jahre die Geschichte zweier Kindergräber auf dem Jüdischen Friedhof an der Böhmerstraße und brachte damit die Geschichte von Zwangsarbeiterinnen ans Tageslicht, die im Zweiten Weltkrieg in die Region verschleppt und hier in der Nähe (Verl-Kaunitz) von amerikanischen Truppen befreit wurden. Die Erforschung der Geschichte der Zwangsarbeit in Gütersloh führte schließlich zu Einladungen an ehemalige Zwangsarbeiter und –arbeiterinnen. Zu einem Zeitpunkt, als die Frage der Entschädigung für die Opfer noch alles andere als sicher war, hat Gütersloh damit ein Zeichen gesetzt, was seinerzeit auch medial aufmerksam wahrgenommen wurde. Seinen Ursprung fand das letztlich in dem Profil der Schule, für das der Name Anne Frank steht.

Weitere Beispiele wären zu nennen: Der Kontakt zu Israel und Palästina, außergewöhnliche Ausstellungsprojekte in Zusammenarbeit mit dem Anne-Frank-Zentrum, preiswürdige Schülerarbeiten und vieles mehr. Der Name ist Programm – selten lässt sich dieser Satz so auf den Punkt bringen.

Der Kontakt zu Miep Gies ist zu ihren Lebzeiten niemals abgerissen. Sicherlich, weil sie nicht als „Figur der Zeitgeschichte“ auftrat, sondern als Frau mit einer unglaublichen Lebensgeschichte, die sich besonders jungen Menschen – eben den Jungen und Mädchen im Alter von Anne Frank – immer besonders verbunden gefühlt hat. Und die vor allem selbst ein Beispiel war für Mut und Zivilcourage. Das alles wollen wir heute würdigen, indem wir einen Weg nach Miep Gies benennen. Die Idee ist logisch und folgerichtig, denn beide Namen gehören zusammen. Das Tagebuch der Anne Frank führt uns vor Augen, was es bedeutet, ausgegrenzt, gedemütigt und in Angst zu leben, versteckt auf engstem Raum und doch voller Hoffnung auf eine bessere Zeit. Aber ohne Miep Gies würden wir dieses Tagebuch und alles, was damit verbunden ist, wahrscheinlich nicht kennen. Jetzt schließt sich der Kreis und wir setzen ein Zeichen dankbarer Erinnerung.

Am Schluss meines Grußworts soll deshalb ein Zitat von Miep Gies stehen, eine Antwort auf die Frage, ob sie sich ihres besonderen Mutes bewusst gewesen sei, als sie den Kontakt zu den Menschen im Versteck hielt. Miep Gies sagt: „Wenn die Leute glauben, ich sei etwas Besonderes, eine Art Heldin, befürchte ich, sie könnten bezweifeln, dass sie damals dasselbe getan hätten wie ich.

Nicht viele Menschen halten sich für besonders mutig, und das könnte sie womöglich davon abhalten, Mitmenschen in Not zu helfen. Deswegen möchte ich gern allen versichern, dass ich eine ganz normale und vorsichtige Frau bin und ganz bestimmt weder außergewöhnlich noch tollkühn. Ich habe geholfen, wie so viele andere, die ein genauso großes oder vielleicht ein noch größeres Risiko eingegangen sind wie ich. Es war notwendig, und deswegen habe ich es getan.”

Herzlichen Dank – auch im Namen des Rates – für die Initiative zur Benennung des Weges.

Rede des Generalkonsuls Ton Lansink auf der Schulfeier zur Eröffnung des Miep-Gies-Weges

„Miep Gies, geborene Hermine Santrouschitz, war eine mutige Helferin von Anne Frank und den anderen Bewohnern des Verstecks der Familie Frank und van Pels.

Miep Gies stand direkt hinter ihren Mitmenschen, als es am meisten gebraucht wurde.

Aus voller Überzeugung und unter Lebensgefahr. Weil sie es inakzeptabel fand, dass andere Menschen für das, was sie waren, ausgeschlossen, verfolgt und ermordet wurden.

Später schrieb sie darüber: „Ich bin kein Held. (…) Meine Geschichte ist die Geschichte ganz normaler Menschen in einer außerordentlich schrecklichen Zeit. Eine Zeit wie diese, so hoffe ich sehr, wird nie wiederkommen. Es liegt an allen gewöhnlichen Menschen auf der ganzen Welt, das zu verhindern.“ Ende Zitat.

Und diese gewöhnlichen Menschen – das sind wir.

Wir sind hier in der Erkenntnis, dass es an uns liegt, diese Freiheit weiterhin zu schätzen und zu verteidigen.

Wir sind selbst nur dann wirklich frei, wenn andere in Freiheit leben können.

In Europa. Und überall dort, wo Menschen unter Gewalt leiden und in Unfreiheit leben.

Miep Gies handelte und half ihren Mitbürgern, als sie von diesen darum gebeten wurde.

„Ich bin nur ein gewöhnlicher Mensch“, schrieb sie in ihren Erinnerungen.

Und: „Ich war nur bereit, das zu tun, was von mir verlangt wurde und was damals notwendig schien.“

Das ist auch unsere Aufgabe.

Das ist eine Verpflichtung, die wir haben.

Nicht wegschauen im Falle von Ungerechtigkeit und Unterdrückung.

Sondern sich entscheiden für Freiheit und Verantwortung.

Jeden Tag.“

Consent Management Platform von Real Cookie Banner