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„Kein Abschluss ohne Anschluss – Die Anne-Frank-Schule setzt das um!“

Nach längerer Coronapause fand wieder das Bewerbungstraining an der Anne-Frank-Gesamtschule statt. Dieses Training ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg in die Arbeitswelt, den das Berufsorientierungsteam der AFS entwickelt hat. Im Anschluss an das dreiwöchige Betriebspraktikum erfolgte die Vorbereitung auf dieses Training. Wie für eine richtige Bewerbung sollten die Jugendlichen dazu im Vorfeld ernst gemeinte Bewerbungen für die verschiedenen Ausbildungsberufe schreiben und Bewerbungsmappen abgeben. In dem Bewerbungsgespräch mussten sie dann die Personaler der Firmen mit ihrem Auftreten überzeugen.

Eingeladen waren 19 Vertreterinnen von Gütersloher Unternehmen, die in Einzelterminen mit allen 140 Schülerinnen des 9. Jahrgangs Bewerbungsgespräche simulierten. Dabei „mündeten viele Bewerbungsgespräche in ein individuelles Coaching“, so fasst Thomas van den Bongard (Miele) die Erfahrung zusammen. Gerade diese Coachingsituation wurde von allen Beteiligten als sehr bereichernd empfunden. „Es ist in jedem Fall eine Erfahrung wert!“, sagt Manjot (15 J.), Schülerin der 9. Klasse.

Ziel dieses einzigartigen Projektes ist es, die Angst vor einem Bewerbungsgespräch zu nehmen und einen direkten Kontakt zwischen zukünftigen Arbeitgeberinnen und Arbeitnehmerinnen zu ermöglichen. Wie ernst viele Schüler*innen die Simulation nahmen, zeigte ihre Aufregung. Einige hatte in der Nacht kaum geschlafen.
Gerade in heutigen Zeiten des Fachkräftemangels will die Anne-Frank-Schule ein Zeichen setzen und ihre Schülerschaft noch individueller auf den Arbeitsmarkt vorbereiten. Thomas Strenge (Strenge GmbH und Co KG) trifft es auf den Punkt: „Kein Abschluss ohne Anschluss – Die Anne-Frank-Gesamtschule setzt es um!“.

Besonders die gute Atmosphäre ist vielen Referenten aufgefallen, dazu haben sicherlich die Schülerlotsen des 10. Jahrgangs beigetragen, die als Ansprechpartner jederzeit präsent waren und für einen reibungslosen Ablauf sorgten. „Der Aufwand war für alle Beteiligten sicherlich groß, hat sich aber in jedem Fall gelohnt“, so Christin Bagusat vom Berufsorientierungsteam der Anne-Frank-Schule. Darin waren sich auch die Vertreter*innen der Unternehmen und Institutionen einig, die an der Simulation beteiligt waren: Huga, Miele, Friseursalon Drenkelforth, Arvato, Poggengerd, Caritas, Stadt Gütersloh, Volksbank, Teckentrup, Pfleiderer, Sparkasse, Strenge, HBZ Bielefeld, Klinikum, Stadtwerke.

Text: Christin Bagusat
Foto: Fabian Flöper

Konzert zum Doppel-Jubiläum

Zwei Gründe zum Feiern gibt es an der Anne-Frank-Gesamtschule beim Musik-Festival am 18. Juni: 30 Jahre AFS Big Band, 25 Jahre Bläserklassen.

Neue Westfälische, 11.06.2022, Matthias Gans

Gütersloh. Manche Dinge sind nicht selbstverständlich. Zum Beispiel: In der Kindheit ein Instrument zu erlernen. Als Gudrun Pollmeier 1992 an der Anne-Frank-Gesamtschule (AFS) als Musiklehrerin begann, hatten die wenigsten Schülerinnen und Schüler von Hause die Möglichkeit dazu. Sollte die Pädagogin deshalb ihren Traum einer schuleigenen Big Band begraben? Im Gegenteil. Sie fing noch im gleichen Jahr mit der Gründung einer kleinen Schulband an. Diese war die Keimzelle der Big Band und führte fünf Jahre später auch zur Einrichtung der Bläserklassen.

Beide Jubiläen — 30 Jahre AFS Big Band und 25 Jahre Bläserklasse — werden am Samstag, 18. Juni, mit einem Musik-Festival auf dem Schulhof gefeiert. Von 15 bis 17.30 Uhr werden sich alle Ensembles auf einer großen Bühne auf dem Schulhof präsentieren und dem Publikum mit Jazz, Latin, Rock, Pop und Swing ein-heizen. Zudem wird Streetfood angeboten. Der Eintritt ist frei, Spenden erwünscht.

„Wenn ich daran zurück-denke, wie bescheiden und klein damals alles begonnen hat, muss ich mich selbst wundern über diese Entwicklung“, sagt Gudrun Pollmeier. Über die Bläserklassen haben 750 Schülerinnen und Schüler seit 1992 das Spiel auf Trompeten und Posaunen, Saxofonen und. Querflöten und diversen anderen Instrumenten erlernt, hat sie zusammengezählt. „Von diesen 750 hätten ohne Bläserklasse 700 niemals ein Instrument spielen gelernt“, mutmaßt sie.

Die Idee der Bläserklasse stammt aus der Nachbarstadt Rietberg. Am Gymnasium Nepomucenum hatte der Musiklehrer Wolfgang Feuerborn zusammen mit einem japanischen Musikinstrumentenhersteller sein Konzept verwirklicht, eine ganze Klasse mit Instrumenten auszustatten und geschlossen entsprechenden Unterricht zu erteilen. Das können wir auch, dachte sich Gudrun Pollmeier. Ein Sponsorenlauf der damaligen 6d brachte so viel Startkapital zusammen, um einen Klassensatz Instrumente anschaffen zu können. Das Schülerinteresse war so groß, dass gleich zwei Bläserklassen eingerichtet wurden.

Blasmusikszene in GT profitiert von der Arbeit an der AFS

Dass dieses Angebot nach wie vor attraktiv ist, zeigen bis heute die Anmeldezahlen für den Einstieg in die Bläserklasse in der fünften Jahrgangsstufe. Nicht selten ist das Interesse größer als die Kapazitäten. Dann fällt es regelmäßig schwer, Kindern und Eltern abzusagen. Dreimal im Monat gibt es Orchesterproben, zudem kommen einmal im Monat acht Instrumentallehrer in die Schule, um die jeweiligen Orchesterregister zu unterrichten. Mit den Leihgebühren für die schuleigenen Instrumente zahlen die Eltern 30 Euro pro Monat dafür.

Die Bläserklassen sind für Gudrun Pollmeier etwas Besonderes, auch etwas anderes als eine klassen- oder jahrgangsstufenübergreifende Instrumental-AG. „Eine Bläserklasse bewirkt ein stärkeres Gemeinschaftsgefühl.“ Belebt wird dieses auch durch Orchesterfahrten und Begegnungsfeste. Und nicht zuletzt durch Auftritte außerhalb der Schule.

Die meisten dieser Auftritte sind für soziale Zwecke, etwa zugunsten des Kinderhilfswerks „terre des hommes“. Es ist die Verbindung von sozialem und kulturellem Engagement, das Schulleiter Jan Rüter Bläserklassen und Big Band wie Anne Frank als eine der „Grundsäulen unserer Schule“ bezeichnet. Die Namensgeberin der Schule findet sich auch in deren Musikleben wieder. Gudrun Pollmeier beauftragte den „Hauskomponisten“ Helmut Bieler-Wendt, eine „Anne-Frank-Suite“ zu schreiben. Diese wurde 2019 uraufgeführt und auf CD eingespielt.

Nach der Jahrgangsstufe sieben heißt es für die Schüler, Abschied zu nehmen von der Bläserklasse — und vom Instrument. Ungefähr ein Drittel bleibt der Musik trotzdem verbunden und leistet sich privat die entsprechende Fortbildung. Viele wechseln in die AFS Big Band. Doch Adam Gal, Dirigent des Jugendmusikkorps Avenwedde und seit November vergangenen Jahres auch Musiklehrer an der AFS, berichtet, dass viele Bläserklässler auch den Sprung in sein Vororchester oder in das des Symphonischen Blasorchesters der Freiwilligen Feuerwehr geschafft haben. Somit profitiert die gesamte Blasmusikszene im Gütersloher Raum von der Arbeit an der AFS. Auch was das Repertoire angeht, zeigt man sich offen für neue, unbekannte Klänge. So wurde arabische und türkische Musik für Bläserbesetzung arrangiert. Sie wurde unter dem Titel „Musikwelten eröffnen. Kulturelle Vielfalt im Unterricht“ sogar publiziert und ist somit auch anderen Bläserklassen zugänglich.

Der Traum von der Big Band geriet bei Gudrun Pollmeier nicht in den Hintergrund. Sie selbst ist seit Jahrzehnten Saxofonistin in der Westfalia Big Band. Doch allein auf diese Erfahrung wollte sie ihre Arbeit nicht stützen. Bei Jazzlegende Peter Herbolzheimer ließ sie sich fortbilden und erhielt 1997 das Zertifikat zur „Leitung von Big Bands“. Drei Jahre später erhielt die Schulband ihre jetzige Bezeichnung als AFS Big Band. 2006 wird aus der AG ein „instrumental-praktischer Kurs in der Q1“, was die Qualität noch einmal steigert.

Der Bekanntheitsgrad wächst nach einem Fernsehbeitrag für die „Lokalzeit“. Sogar in den Farmhouse Jazz Club wird die Band nun eingeladen, auch ein Auftritt beim Theatertag im frisch eröffneten Haus gehört 2010 dazu. Hier wird zwei Jahre später das 20-jährige Bestehen gefeiert und eine CD produziert. Eine weitere folgt zum 25-jährigen Bestehen, produziert vom ehemaligen Bandmitglied Henning Strandt im eigenen Watt Matters Tonstudio in Bielefeld. Apropos Ehemalige: Unter den aktuell 30 Mitgliedern sind acht Ex-Schüler. „Denen macht es einfach Spaß, weiter mitzuspielen“, sagt Gudrun Pollmeier.

2018 begannen die Vorbereitungen für eine Konzertreise zur palästinensischen Partnerschule in Ramallah. Der Flug war bereits gebucht. „Doch dann kam Corona und der Lockdown und legte auch bei uns alles lahm“, sagt Gudrun Pollmeier. „Zum Glück hat das Land die Kosten für die bereits gekauften Flugtickets übernommen.“ Immerhin eine Videobotschaft wurde nach Ramallah gesandt. Jetzt schauen Big Band und Bläserklassen nach vorne und freuen sich auf das Musikfestival. Dann kann man auch überprüfen, ob das Geheimnis ihres Erfolgs in dem besteht, was die stellvertretende Schulleiterin Gudrun Hönemann beobachtet hat: „Gudrun ist streng, aber sie versteht es, die jungen Leute mitzureißen.“

Verbrechen für die „Volksgesundheit“: Die „Euthanasie“-Morde im Nationalsozialismus und die Provinzialheilanstalt Gütersloh

Die sogenannten Nürnberger Rassegesetze von 1935 bildeten nicht nur die Grundlage von rassistischer Diskriminierung und Verfolgung im Nationalsozialismus. Auch Menschen mit Behinderung, chronischen oder psychischen Erkrankungen wurden ab diesem Zeitpunkt als „erbkrank“ entrechtet, erfasst, teilweise zwangssterilisiert und in den 1940er Jahren schließlich ermordet. Mindestens 120.000 Menschen fielen diesen Verbrechen zum Opfer – darunter auch mehr als 1.000 Patient*innen der Gütersloher psychiatrischen Heilanstalt. Wie in den meisten deutschen Kliniken fanden keine Morde vor Ort statt, das Gütersloher Klinikpersonal lieferte jedoch Material für die Verhandlungen der „Erbgesundheitsgerichte“ und ordnete die Verlegung von Schutzbefohlenen in die Tötungsanstalten der „Euthanasie“-Aktionen an. Der Vortrag ordnet die Verbrechen von 1935 bis 1945 in die Geschichte der Gütersloher Klinik ein und thematisiert Folgewirkungen und Gedenken.

Workshop „Mobbing stoppen – Werte vermitteln“

Seit Januar 2022 gibt es das Programm „Respekt Coaches“ an der Anne-Frank-Schule, welches durch den Jugendmigrationsdienst der Diakonie Gütersloh begleitet wird. In Abstimmung mit der Schulleitung und den Klassenlehrer/innen plant die Respekt-Coachin bedarfsgerechte Gruppenangebote und diese in der Kooperation mit Trägern der politischen Bildung und der Extremismus-Prävention. Gemäß dem Motto „Lass uns reden! Reden bringt Respekt“ geht es um gegenseitiges Zuhören, Fragen stellen, Haltung zeigen und das Erlernen von Toleranz bei abweichenden Meinungen anderer.

In einer anonymen SchülerInnen-Befragung im Jahrgang 7 äußerte die Klasse 7C den Wunsch, ein Gruppenangebot zum Thema Mobbing zu behandeln. Aus diesem Grund machte sich die Respekt-Coachin Arbnora Seferi-Qengaj auf die Suche nach passenden Trägern zu dieser Thematik. Der Rapper Martin Rietsch, aka 2schneidig war hierbei eine sehr gute Wahl. Er sprach mit den Schüler*innen auf Augenhöhe und behandelte methodenbasiert die Themen Teamfähigkeit, Ausdauer, Mobbing sowie Selbstbewusstsein. Als Deutscher mit nigerianischen Wurzeln hat er bereits seit seiner Kindheit Mobbing und Rassismus erfahren. Durch seine persönliche Geschichte und die Veranschaulichung unterschiedlicher Perspektiven auf Selbst- und Fremdbilder fordert er zu differenziertem Denken und Handeln auf. 2schneidig ermutigte die Schüler*innen, couragiert Stellung zu beziehen und sensibilisierte sie, bereits Ansätze von Mobbing im Alltag zu erkennen. Ein Gegensatz zum Schulalltag hat in diesem Rahmen stattgefunden.

Rückmeldungen der SchülerInnen aus der 7C zeigen, dass der Workshop viel Spaß gemacht hat und sie viele wertvolle Dinge mit nach Hause nehmen konnten. Der Tag wird bei vielen noch lange in Erinnerung bleiben. „Seine Geschichte war sehr traurig und ich konnte dadurch sehr viel lernen. In Zukunft werde ich versuchen, auf meine Wortwahl zu achten. Ich würde gerne wieder so ein Projekt machen“, so beispielsweise das Feedback einer Schülerin.

Text und Fotos: Arbnora Seferi-Qengaj

Europa-Rallye: Schüler*innen setzen Zeichen für Zusammenhalt in Europa

Teilnehmer*innen der AFS an der Europa-Rallye

Am Samstag, dem 07.05.2022 trafen sich Schüler*innen aus Schulen des Kreises Güterslohs, um an einer Europa-Rallye teilzunehmen und um dort ihr Wissen über Europa auf die Probe zu stellen. Die Rallye startete um 10 Uhr mit den einleitenden und organisatorischen Worten von Lotte Footh, der Leiterin von Europe Direct in Gütersloh.
Sie stellte ebenfalls die Gütersloher Band Mess Around vor, die uns den Vormittag über mit mehreren Liedern begleitete und uns insgesamt sehr motiviert hat.

Band Mess Around

Im anschließenden Quiz-Rundgang war es mit der App Biparcours möglich, verschiedene Quizfragen über europäische Länder und Themen zu beantworten. Rund um den Dreiecksplatz verteilten sich Personen, die von Organisationen und Schulen kamen. Sie hatten sich bereit erklärt, ein Plakat über ein ausgewähltes Land anzufertigen, damit die Teilnehmerinnen neue und spannende Informationen herausfinden konnten. Somit waren die Bedingungen für eine Rallye geschaffen. Die Aufgabe der Schülerinnen war es nun, die Plakate abzulaufen und die dazu passenden Quizfragen in der App richtig zu beantworten. Es gab z.B. Quizfragen über die Themen Sport, Europe Green Deal, soziale Gerechtigkeit und Fairtrade. Hinzu kamen noch Fragen über Italien, Griechenland, Litauen und vielen anderen europäischen Ländern. Für jede richtig beantwortete Frage gab es 100 Punkte. Außerdem gab es eine Checkliste, auf die Personen an den Plakaten einen Punkt aufklebten, falls man als Team die Frage richtig beantwortet hatte.

Zwischendurch konnte man sein Glück am Glücksrad versuchen und tolle Preise gewinnen. Eine nachhaltige Einkaufstasche mit einem Europa Aufdruck war einer der vielen Giveaways, die dort abgestaubt werden konnten.

„Was uns am besten gefallen hat, ist die Spannung, die Konkurrenz zwischen den Teams, die Teamarbeit und die Wissenserweiterung über Europa, die wir dadurch erlangt haben“, erzählten Maher Darweesh, Garv Sidhana und Wisam Hasan aus dem Jahrgang 11.

Mona Schmitz von Europe Direct in Gütersloh freute sich, dass so viele Schüler*innen an der Veranstaltung teilgenommen haben, um gemeinsam für Europa einzustehen.

Die Sieger des 1. und 2. Preises

Natürlich gab es auch Preise nach dem Quiz zu gewinnen. Die Plätze 2 und 3 konnten erst nicht vergeben werden, da die beiden Gruppen eine identische Punktanzahl hatten. Sie mussten somit um den Platz stechen. Ein Team aus der 7. Klasse des Einstein-Gymnasiums in Rheda-Wiedenbrück belegte danach den 3. Platz und gewann coole und nachhaltige Giveaways. Die Schüler*innen empfanden die Teamarbeit besonders gut und sie freuten sich, nun mehr Wissen über Europa zu haben.

Der Platz 2 ging an ein Team aus unserer Schule, dieses setzte sich aus dem 11. und 7. Jahrgang zusammen. Sie gewannen Gutscheine für eine Eisdiele.

Erfreulich ist es, dass ein Team aus Schüler*innen aus dem “Oxford” Kurs im 6. Jahrgang der Anne-Frank-Schule die Sieger der Rallye sind. Sie bekamen einen Gutschein für einen Escape-Room.

Insgesamt war es ein gelungener Tag und Aurora aus der Klasse 10D wird sich noch lange an den Tag erinnern: „Der Tag wird mir in Erinnerung bleiben, weil ich gesehen habe, dass Europa einen starken Zusammenhalt hat und viele sich dafür engagieren.“

Text: Giovanna Aronica, Jg. 11
Fotos: Alexandra Wlasnew, Carla Weitkamp und Beate Hinrichs

„Was uns bleibt …“ – Schüler*innen der Anne-Frank-Gesamtschule auf den Spuren jüdischer Zwangsarbeiter*innen – Filmabend, 19. Mai 2022

„Was uns bleibt…“ ist ein bewegendes Dokument zur Zeitgeschichte Ostwestfalens, ausgegraben von einer Arbeitsgemeinschaft der Anne-Frank-Gesamtschule, Gütersloh. Eigentlich wollten die Schülerinnen und Schüler der Klasse 10 G nach ihrem Besuch auf dem jüdischen Friedhof nur die Geschichte eines Kindergrabes erforschen. Doch es entwickelte sich daraus eine umfangreiche Dokumentation über die Leidenswege der Eltern, die Lebensbedingungen jüdischer Zwangsarbeiterinnen in Lippstadt sowie ihre Evakuierung Ende März 1945 und ihre Befreiung auf einem Acker in der Nähe von Kaunitz am 1. April 1945…

Barbara Lipinska-Leidinger, geboren in Warschau, lebt seit 1971 in der Bundesrepublik und arbeitet als freischaffende Filmautorin, Regisseurin und Produzentin. Sie ist durch zahlreiche Kurzfilme bekannt geworden, wie „Zeit einer Mutter – Czas Matki“, „Lang-Zeit: Begegnung in einer Anstalt“, „Das Wiedersehen mit Zofia K.“, „Widok z X pietra  – Aussicht aus dem 10. Stock“, „Niepokorni kochankowie – Geschichten von der ungehorsamen Liebe“. Für den Film „Dobranoc – Gute Nacht“ erhielt sie 1992 den deutschen Kurzfilmpreis. Der Film “Was uns bleibt…” wurde 1995 in Gütersloh erstmals einem breiteren Publikum gezeigt. Er behandelt nicht nur ein bewegendes Stück Zeitgeschichte, sondern gibt zugleich Einblick in die Historie der ersten Gütersloher Gesamtschule.

Die Forschungen führten nicht nur zu einem bemerkenswerten zweiten Platz 1992/93 beim bundesweiten Schüler-Wettbewerb der Körber-Stiftung unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten („Denkmal: Erinnerung-Mahnmal-Ärgernis“) und zur am Ort sehr umstrittenen Errichtung einer Gedenktafel an der Befreiungsstätte, sondern zu etlichen weiteren Aktionen.

Über die Hintergründe des Films berichtete Wilfried Limper, Leiter der allerersten Anne-Frank-AG, die vor bald 30 Jahren die längst vergessene Geschichte hinter den zwei Kindergräbern auf dem Jüdischen Friedhof aufgearbeitet hat. Anwesen waren auch einige von seinen ehemaligen Schüler*innen, die mit ihm gemeinsam diese einmalige Forschungsarbeit geleistet haben.

Text: Michael Schüthuth

Fotos: Fabian Flöper

Weitere Informationen:

„Mehr als 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gibt es immer weniger Menschen, die als Zeitzeugen über den Holocaust berichten können. Umso wichtiger sind Dokumente wie der Film „Was uns bleibt“, für den die Autorin Barbara Lipinska-Leidinger mit der Kamera elf Frauen an die Orte ihrer Erinnerung begleitete. Die Frauen gehörten zu den rund 800 jüdischen Zwangsarbeiterinnen, die 1945 während eines Todesmarsches von Lippstadt in das KZ Bergen-Belsen auf einer Wiese in Kaunitz von amerikanischen Soldaten befreit wurden. (…)

In Auschwitz begann auch für einige der Frauen ihr Leidensweg. So etwa für Magda Müller. Sie war 16 Jahre alt, als ihre Heimat Ungarn 1944 von den deutschen Truppen besetzt wurde und alle jüdischen Frauen, Männer und Kinder deportiert wurden. Magda Müller kam gemeinsam mit ihrer Schwester (18) und ihren Eltern nach Auschwitz-Birkenau. Ihre Eltern sah sie bei der Ankunft zum letzten Mal. Auch ihre Schwester wurde wenig später ermordet. Allein auf sich gestellt, kam das Mädchen schließlich in einen Transport nach Lippstadt. Denn in Deutschland fehlten Arbeiter, und so wurden auch in den damaligen Lippstädter Eisen- und Metallwerken, einem Außenkommando des KZ Buchenwald, Zwangsarbeiterinnen eingesetzt, um Munitionsnachschub für die deutschen Truppen zu produzieren.  

Als die Alliierten 1945 immer näher rückten, wurden Magda Müller und ihre Leidensgenossinnen auf einen so genannten Todesmarsch geschickt, der sie in das KZ Bergen-Belsen führen sollte. Doch in Kaunitz kam für die ausgehungerten, vollkommen erschöpften Frauen endlich das Ende ihrer Leidenszeit: Die SS-Wachen flohen vor den herannahenden Amerikanern und die Frauen waren frei.  

Nachdem sie 1989 auf dem jüdischen Friedhof in Gütersloh zwei Kindergräber entdeckt hatten, war eine Schülergruppe der Anne-Frank-Gesamtschule Gütersloh auf das Schicksal der 800 in Kaunitz befreiten Frauen gestoßen und hatte ihre Geschichte recherchiert. Sie stellten Kontakt zu einigen der Frauen her und 1993 reisten elf der ehemaligen Zwangsarbeiterinnen aus allen Teilen der Welt noch einmal nach Deutschland, um sich auf die Spuren ihrer Erinnerung zu begeben. Auch Angehörige der beiden Kinder, deren Gräber die Schüler entdeckt hatten, kamen und sahen zum ersten Mal, wo ihre Eltern befreit worden waren und in den ersten Nachkriegsmonaten gelebt hatten. (…)“

Aus: https://www.verl.de/leben-in-verl/aktuelles/artikel/gedenken-filmabend-was-uns-bleibt-im-heimathaus

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